Stressbewältigung

„Ich bin im Stress“, „Der ist aber ganz schön gestresst“, „Das stresst mich“ – in unserem täglichen Wortschatz nutzen wir das Wort Stress ziemlich häufig. Jede und jeder kennt es, jede und jeder nutzt es, und es scheint klar zu sein, was es genau bedeutet, wenn jemand von Stress spricht.

Aber was ist Stress eigentlich genau? Kann man es genau definieren, ist es ein festgeschriebener Begriff? Oder versteht jede und jeder etwas anderes darunter?

Übersetzt aus der englischen Sprache bedeutet Stress so viel wie Belastung, Druck, Anspannung, Sorge, Kummer. Laut Psychologie-Lexikon „Dorsch“ wird Stress im Allgemeinen als eine subjektiv unangenehm empfundene Situation, von der eine Person negativ beeinflusst wird, definiert (sog. „Distress“). Diese Art von negativem Stress führt nach einiger Zeit laut Studienlage durch die Ausschüttung von sogenannten „Stresshormonen“ (z.B. Adrenalin, Kortisol, etc.) zu körperlichen Schädigungen.

Wir verbinden mit dem Wort Stress also überwiegend negative Dinge. Aber es gibt auch den „positiven Stress“ (sog. „Eustress“). Diese Art von Stress kann hilfreich sein für Wachstum und Entwicklung. Das Online-Lexikon für Psychologie und Pädagogik nennt Beispiele wie Herausforderungen bei einem Spiel oder bei riskanten Unternehmungen wie Fallschirmspringen. Hat eine Person dann die Fähigkeiten, diesen den Organismus stressenden Anforderungen gerecht zu werden und die Möglichkeit, die freiwerdenden Energien auch körperlich auszuleben, handelt es sich um positiven Stress, der Wachstum fördert.

Beide Arten von Stress rufen körperlich ähnliche Stressreaktionen hervor. Da der positive Stress im Gegensatz zum negativen aber meistens nur kurze Zeit anhält und dann schnell abgebaut wird, hat er am Ende keine negativen Auswirkungen auf Geist und Körper, was beim negativen Dauerstress durchaus der Normalfall ist.

Der positive Eustress ist also ein Zustand, in den wir immer wieder durch verschiedene Herausforderungen geraten können und der uns, wenn es nicht übertrieben wird, auch gut tut. Die Frage ist also eher, wie wir mit dem negativen Distress umgehen können, so dass wir nicht in ungesunde körperliche und seelische Zustände geraten.

Menschen tendieren dazu, zu versuchen, diese Art von Stress, weil sie unangenehm ist, zu vermeiden. Uns allen muss aber klar sein, dass das nicht möglich ist – da kommt die Tochter mit Problemen in der Schule nach Hause, der Kollege braucht mal wieder spontan Hilfe bei einem Projekt, das bis morgen fertig sein muss, oder die Eltern werden pflegebedürftig. Wir können Stresssituationen in unserem Leben nicht davon laufen, sie gehören zum Leben dazu, genau so wie die glücklichen und zufriedenen Situationen.

Entscheidend ist nach aktuellem Forschungsstand, wie wir mit dem Stress umgehen und wie wir ihn bewerten. Und das kennt jede und jeder von uns – manche Menschen scheinen einfach nie gestresst zu sein, es kann passieren, was will, und sie bleiben ruhig und scheinbar gelassen. Manch andere*r dagegen hat eine niedrigere Stressgrenze und ist schon von kleinen Dingen des Alltags gestresst. Woran liegt das?

Grundlegend ist erst einmal die Erkenntnis, dass jede und jeder von uns immer mal wieder in Stress gerät – es sind aber verschiedene Situationen, die in uns Stress auslösen. Manche von uns kommen in Stress, wenn es Streit gibt, manche, wenn Sie in einer überfüllten Bahn fahren müssen, und manche, wenn das Kind weint. Wer wann in Stress gerät, ist höchst individuell.

Das liegt zum Beispiel an genetischen Voraussetzungen und dem Stresspegel und dadurch entstandenen Hormonstatus in der Schwangerschaft der Mutter, und unseren Erfahrungen der ersten Lebensmonate und –jahre. Aber auch wir selbst haben natürlich einen Einfluss darauf, wie sehr uns der Stress des Alltags mitnimmt oder eben auch nicht.

Wir können uns also in jeder herausfordernden Situation wieder bewusst entscheiden – sehe ich sie als stressig an, oder nehme ich sie als Herausforderung und „positiven Stress“ wahr? Im Online Lexikon für Psychologie und Pädagogik steht dazu: „Hilfreich um einen solchen Stress zu reduzieren, kann es daher sein, Situationen nicht als Bedrohung, sondern als Herausforderungen wahrzunehmen und die innere Haltung zu verändern. Studien zeigen, dass sich negativer Stress durch adaptive Reaktion und kognitive Neubewertung in positiven Stress verwandeln kann, denn die individuelle Einstellung und der Blickwinkel auf eine Situation bestimmen maßgeblich mit, wie sehr Menschen sich von alltäglichen Dingen stressen lassen. In vielen Fällen von Stress hilft ohnehin nur Akzeptanz, denn manche Dinge, die man nicht ändern kann, muss man einfach hinnehmen.“

So können wir immer sicher sein, dass der Stress im Alltag nie aufhören wird – es wird immer wieder herausfordernde Situationen geben, denen wir uns stellen müssen. Entscheidend ist dann, wie wir uns entscheiden, mit der jeweiligen Situation umzugehen und ob wir dafür sorgen, dass sich der entstandene Stresshormonpegel im Körper danach wieder komplett abbauen kann, zum Bespiel durch körperliche Betätigung oder Entspannung.


Nachfolgend einige Tipps für den Umgang mit Stress, gesammelt aus verschiedenen psychologischen Ratgebern:                                      

  • Bewusst atmen: Halten Sie einen kurzen Moment inne, stoppen Sie alle Aktivität und atmen Sie 3 Minuten lang einfach nur ein und aus, egal ob im Stehen, Sitzen oder Liegen. Konzentrieren Sie sich dabei nur auf den Ein- und Ausatem.
  • Realitätscheck: Nachdem Sie kurz Innegehalten haben, fragen Sie sich, ob die Situation tatsächlich so bedrohlich ist, wie Sie zunächst schien. Was genau ist das Bedrohliche, und können Sie etwas daran ändern?Und wenn es nur Ihre Sichtweise ist...?
  • Lächeln Sie. Studien belegen, dass ein (auch erzwungenes) Lächeln dem Gehirn einen Glückszustand signalisiert und dieses dann schnell in den Entspannungsmodus schaltet. 2 Minuten Lächeln sind schon hilfreich.
  • Bewegen Sie sich. Bewegung baut im Körper Stresshormone ab – egal, ob bei einem kurzen Spaziergang an frischer Luft, einer Radtour oder ausgiebigem Sport wie Laufen, Schwimmen, Walken, o.ä. Ist in der aktuellen Situation gerade keine Möglichkeit für Bewegung, hilft es kurzfristig auch, einen Stressball zu pressen.
  • Langfristig hilft es, die eigenen immer wiederkehrenden Stressfaktoren zu erkennen und möglichst zu beseitigen oder zumindest zu verringern - oder, wenn auch das nicht möglich ist, wie oben beschrieben, die Sichtweise darauf zu verändern.
  • Auch der Fokus auf positive Dinge kann enorm dabei helfen, Stress zu reduzieren. Schauen Sie sich jeden Tag an, welche schönen Dinge es in Ihrem Leben auch gibt, und versuchen Sie, diese öfter zu betrachten und in Ihrem Alltag auszubauen. Und wenn es nur eine Tasse Kaffee am Morgen in aller Ruhe ist, für die Sie extra 15 Minuten eher aufstehen…
  • Ein großer Stressfaktor sind oft auch unsere eigenen Ansprüche und unser Perfektionismus – Stress entsteht im eigenen Kopf. Versuchen Sie, sich selbst weniger unter Druck zu setzen und von sich mehr zu verlangen, als Sie schaffen können. Je härter Sie mit sich selbst ins Gericht gehen, desto stärker wird der (negative!) Stress.
  • Sagen Sie öfter mal nein zu Anfragen von anderen. Auch die Wünsche anderer an uns können uns unter Druck setzen und stressen. Fragen Sie sich in solchen Situationen, ob Sie dem Wunsch des/der anderen gerade nachkommen können und wollen und hören Sie in sich hinein, ob da eine innere Barriere ist, die eigentlich lieber „nein“ sagen möchte – dann tun Sie es!
  • Soziale Kontakte helfen, inneren Stress abzubauen. Sprechen Sie über das, was Sie bewegt, holen Sie sich Rückmeldung von Familie und Freund*innen und lassen Sie sich dort auch einfach mal fallen und ein bisschen „verhätscheln“ – das tut gut und verringert Stresshormone.
  • Kümmern Sie sich um guten Schlaf. Wer tagsüber viel auf dem Zettel hat, muss Körper und Geist nachts die Möglichkeit geben, sich zu erholen. Wie das funktionieren kann, lesen Sie bald in einem weiteren Artikel in meinem Blog.
  • Die „AEHO-Regel“ (gelesen bei der Akademie für Sport und Gesundheit) umfasst vier grundsätzliche Einstellungen, die vor negativem Stress schützen können: Akzeptanz, Entwicklung, Humor und Optimismus. Sie beschreibt nicht das Hinnehmen aller Gegebenheiten, sondern den Umgang mit den Anforderungen des Lebens in den unterschiedlichen Lebensphasen.
  • Und das Wichtigste: Gönnen Sie sich regelmäßig Pausen! Schon 5 Minuten helfen im Alltag, wenn sie regelmäßig gemacht werden. Verlassen Sie die Stresssituation (Computer, Wohnzimmer voll mit Familie, Besprechungsraum,…), schauen Sie aus dem Fenster, denken Sie an etwas Schönes – danach haben Sie nicht 5 Minuten „verloren“, sondern wieder neue Energie gewonnen, um sich weiter den Herausforderungen des Tages zu stellen. 
  • Um auf Dauer und grundsätzlich besser mit Stress im Alltag umgehen zu können, hilft erwiesenermaßen die Übung von Achtsamkeit. Dies kann die tägliche (auch kurze)  Yogaeinheit sein, Meditation, das bewusste „aus dem Alltag heraustreten“ oder Musik hören. Wichtig ist, dass Sie voll und ganz bei der Sache, und nur bei dieser Sache, sind.
Und jetzt: Lassen sie es sich doch mal gut gehen, machen Sie eine Pause, atmen sie bewusst, und gehen sie danach gestärkt zurück in Ihren (viel weniger stressigen) Alltag!